Christentum und Islam

Christentum und Islam in der Zeit der Kreuzzüge

Wie alle monotheistischen Offenbarungsreligionen beanspruchte der christliche Glaube schon sehr früh einen exklusiven Charakter und war nicht pluralistisch eingestellt. Dies musste aber nicht zwangsläufig zu Intoleranz gegenüber anderen Religionen führen, insbesondere wenn man sich der Transzendenz/Jenseitigkeit des absoluten Gottes bewusst war. Der Glaube an die absolute Wahrheit und an den absoluten Gott verbindet sich fast natürlich mit der Einsicht, dass das menschliche Denken, die menschliche Sprache, die menschlichen Ausdrucksformen prinzipiell nicht in der Lage sein können, Gott zu erfassen. Diese Einsicht kommt an vielen Stellen der Bibel zum Ausdruck. Insofern verlangt der Glaube eine selbstkritische und demütige Haltung. Das Studium der Bibel zeigte zu allen Zeiten, dass der Sinn der Heiligen Schrift nicht im Buchstaben allein zu finden ist. Bereits in der Frühphase der christlichen Theologie entwickelte sich die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn - was zugleich einen Schutz vor dem Fanatismus sogenannter Literalisten, die die Bibel wortwörtlich auszulegen versuchten, bot.

Der gläubige Blick muss sich verengen, um zur Vorstellung zu kommen, man könne auf menschliche Weise die göttliche Wahrheit besitzen. Dies allerdings geschah zunehmend, als das Christentum zur dominanten Religion in Europa aufstieg und die Mission auch mit dem Schwert erfolgte. Karl der Große erweiterte die Einflusssphäre des westeuropäischen Christentums beträchtlich nach Norden und Osten, während im Mittelmeerraum der Isalm verbreitet wurde.

Die Konfrontation zwischen Islam und Christentum fand nicht nur auf militärischem und politischem Gebiet statt, sondern auch auf der Ebene des religiösen Denkens und der Theologie. Weder muslimische noch christliche Gelehrten waren in dieser Situation bereit, eine etwaige Gleichwertigkeit der jeweils anderen Religion in Betracht zu ziehen. Jeder war von der Überlegenheit der eigenen Religion überzeugt. Trotzdem erkannte man, dass es Verbindungen zwischen christlicher und islamischer Lehre, zwischen Bibel und Koran gab. Auf dieser Grundlage billigte man mitunter der anderen Religion einen abgestuften Grad an ernsthaftem Glauben zu.

Zu den großen Intellektuellen, die sich im mittelalterlichen Europa mit dem Islam auseinandersetzten, gehörte Petrus Venerabilis. Von 1122 bis zu seinem Tod 1156 war Petrus Venerabilis Abt des überaus einflussreichen Klosters Cluny. Er ließ eine Übersetzung des Korans ins Lateinische anfertigen und proklamierte die geistige Auseinandersetzung mit dem Islam, den er letzlich als eine abweichende christliche Lehre verstand.

In seinem Epos "Willehalm" befasst sich Wolfram von Eschenbach (+ um 1220) mit dem Verhältnis zwischen Christen und Muslimen, wobei er beide als grundsätzlich gleichwertig versteht. In seiner Parzivalfassung lässt Wolfram von Eschenbach Feirefiz auftreten, einen Halbbruder des Titelhelden, muslimischen Glaubens. Die Liebe zu einer Frau, der Gralshüterin Repanse de Joie, veranlasst Feirefiz, zum christlichen Glauben überzutreten. Feirefiz zieht mit seiner Frau nach Indien, aus seiner Familie geht nach Wolframs Darstellung der sagenumwobene Priesterkönig Johannes hervor.

Franziskus von Assisi reiste 1219 zum Sultan nach Ägypten und versuchte, ihn von der Wahrheit der christlichen Lehre zu überzeugen.

Friedrich II., der seine Kindheit und Jugend hauptsächlich in Sizilien in einer arabisch beeinflussten Umgebung verbrachte und des Arabischen mächtig war, interessierte sich sehr für den Islam und erörterte im Kreis von Philosophen und Theologen Fragen des Glaubens. Vor allem interessierte sich der Kaiser für die Unsterblichkeit der Seele. Zugleich stellte er sich als christlicher Herrscher in den Dienst der Kirche und übernahm auch die päpstliche Ketzerdoktrin. Nach arabischen Aufständen 1222 ließ er die sizilianischen Muslime nach Festlandsitalien umsiedeln, wo in Lucera eine muslimische Stadt errichtet wurde. Diese Maßnahme wird bis heute kontrovers diskutiert. Sie ist jedenfalls nicht als religiös motivierte Handlung zu verstehen, sondern als eine politische Entscheidung. In Lucera praktizierten die Muslime ein hohes Maß an Selbstverwaltung. Auch leisteten sie Friedrich und seinen Nachfolgern treue Dienste. Im Rahmen der Verhandlungen mit dem Sultan von Ägypten über die Heiligen Stätten reiste Emir Fahrraddin (Fach ad-Din Yusuf) mehrfach zu Friedrich und besuchte auch Lucera. Fahrraddin berichtete dem Sultan über die menschliche Behandlung, die der Kaiser den Muslimen zukommen ließ, was eine Verhandlungslösung für das Heilige Land unterstützte. Lucera wurde später von den Feinden der Staufer erobert, die muslimische Bevölkerung wurde ausgelöscht.

Auch wenn sich Christentum und Islam im Mittelalter zumeist feindselig gegenüberstanden, kam es auf vielen Ebenen zum Austausch. Dies konnte begründet sein durch nachbarschaftliche Verhältnisse, durch Handelsinteressen oder durch kulturellen Austausch. Noch heute bewundert man in Nordeuropa die kulturellen Errungenschaften der Araber (während man im Süden eher abschätzig auf diese Zeit blickt). Es ist unbestritten, dass die Araber den kulturellen Austausch bis nach China (erkennbar beispielsweise an der Geschichte des Papiers) ermöglichten. Für die Geistesgeschichte Westeuropas wurde vor allem die Aristotelesrezeption von großer Bedeutung. Zwar kannte man die Schriften des Aristoteles auch in Rom, Konstantinopel und Aachen, aber sie wurden wenig beachtet. Die karolingische und ottonische Geisteswelt war philosophisch vor allem dem Platonismus verpflichtet. Der Aristotelismus wurde von den Arabern aufgegriffen und in der Folge auch in Westeuropa rezipiert. Er brachte neue Impulse, vor allem hinsichtlich des Empirismus und der Logik. Innerhalb der lateinischen Theologie wurde der Aristotelismus zur Grundlage der berühmten Scholastik.













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