Herrscher

Bitonto: Relief der Kaiserfamilie
Herrscher und Herrschaft

In der weitgehend hierarchisch gegliederten Gesellschaft des Mittelalters spielte Herrschaft eine konstitutive Rolle. Dennoch oder gerade deswegen war die Anerkennung und Ausübung von Herrschaft oftmals umstritten. Die Wahl des römisch-deutschen Königs unterlag gewohnheitsrechtlichen Regelungen, das Wahlprozedere war aber nicht eindeutig festgelegt. Eine vollgültige Krönung musste in Aachen mit den Reichsinsignien vollzogen werden. Da dies nicht immer sofort nach einer Wahl möglich war, gab es auch vorläufige Krönungen an anderen Orten. Die Beteiligung des Papstes an der Erhebung des römisch-deutschen Königs war ebenfalls zu berücksichtigen. Wegen solcher Verflechtungen und mancher Unklarheiten kam es immer wieder zu schwerwiegenden Interessenkonflikten und Kämpfen. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist der Kronstreit zwischen Otto IV. aus dem Hause der Welfen und den Staufern Philipp von Schwaben sowie Friedrich II. Der Staufer Friedrich II. wurde insgesamt drei Mal zum römisch-deutschen König gewählt und zwei Mal gekrönt, bevor er allgemein als König anerkannt war. Die Kaiserkrönung war häufige Folge des Königtums, aber kein Automatismus. Sie musste mit dem Papst ausgehandelt werden, teilweise unter Berücksichtigung der Ansprüche des römischen Magistrats.

Das Ringen um Macht und die Durchsetzung von Herrschafts- oder Lehensansprüchen durchzog das Mittelalter. Dort, wo Erbmonarchien eingeführt wurden, beispielsweise in Frankreich, konnte sich eine stärkere Kontinuität entwickeln. Allerdings kam es in Frankreich im Zusammenhang von Erbstreitigkeiten zum Hundertjährigen Krieg (1337-1453). In Deutschland bzw. im Heiligen Römischen Reich waren die Unsicherheiten wegen der fortbestehenden Wahlmonarchie und der zunehmenden Dominanz päpstlicher Ansprüche besonders schwierig.

In der religiösen Vorstellungswelt des Mittelalters bestand die eigentliche Legitimation eines Herrschers in seiner übernatürlichen Bestimmung, die durch besondere Zeremonien, vor allem bei der Krönung, zum Ausdruck kam. Gerade in der Stauferzeit lassen sich Bestrebungen erkennen, die weltliche Herrschaft über einzelne Zeremonien hinaus zu sakralisieren, was mit der Bezeichnung des Römischen Reiches als "heilig" einherging. Gleichzeitig reduzierten die Päpste die liturgischen Befugnisse und sakralen Symbole, welche die Könige zuvor erhalten hatten. In ottonischer Zeit war mit der Krönung noch die Aufnahme in den Klerikerstand verbunden gewesen, nachfolgend ist eine Tendenz zur "Laisierung" des Königtums festzustellen.

Aus theologischer Sicht erscheint Herrschaft immer auch kritikwürdig. Für die mittelalterliche politische Theorie war Augustinus mit seinem Werk De Civitate Dei von besonderer Bedeutung. In Augustinus' Sicht spiegelt sich die Ambivalenz weltlicher Herrschaft: Sie ist notwendig, aber letztlich eine Folge des Sündenfalls und außerdem anfällig für Fehlentwicklungen. In der biblischen Tradition erscheint das Königtum als eine Konsequenz der Schwäche und Angst des Volkes. Samuel, Prophet und Richter, salbt gewissermaßen zähneknirrschend Saul zum ersten König. Samuels Kritik am Königtum besagt, dass das Volk zu wenig Gottvertrauen habe, weshalb es einen Herrscher nach dem Vorbild anderer Völker eingesetzt sehen wolle. Der erste König, Saul, verhält sich problematisch und wird schließlich von David abgelöst. Aber selbst David, der in der Bibel als Vorbild königlicher Herrschaft erscheint, zeigt Schwäche. Aufgrund der Batseba-Affäre hält der Prophet Natan eine Strafpredigt über David (vgl. 2 Sam 12). Jesus verkündigt das Reich Gottes als "nicht von dieser Welt" (Joh 18,36).

Neben der religiösen Traditionslinie greift das mittelalterliche Herrschaftsverständnis auf die Antike zurück. Der Kaisertitel sowie die Reichsbezeichnung als solche beinhalten den Rückbezug auf die römische Antike und auf das römische Kaisertum. Friedrich II. betonte dies besonders stark und verband die religiöse Legitimation mit der antiken Traditionslinie, was sich in seiner Titelführung spiegelt:  Fridericus Secundus Dei Gratia Romanorum Imperator Semper Augustus (Friedrich der Zweite, von Gottes Gnaden allzeit erhabener Kaiser der Römer). Nach der siegreichen Schlacht von Cortenuova (1237) ließ Friedrich, bezugnehmend auf die antiken Caesaren, den erbeuteten Fahnenwagen der Mailänder in einem Triumphzug durch Rom ziehen und auf dem Kapitol präsentieren.
















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