Ursachen

Ursachen der Kreuzzugsbewegung

Als wichtiger Anlass für die Entstehung der Kreuzzugsbewegung gilt das Hilfeersuchen des Kaisers von Konstantinopel, Alexios I. Komnenos. Das Oströmische Reich war von der arabischen Expansion besonders betroffen. Die kriegerischen Turkvölker stellten eine zusätzliche Bedrohung dar. Von Norden drangen die Petschenegen vor, von Osten die Seldschuken, im Süden herrschten die Fatimiden. Alexios I. Komnenos errang in einem mehrjährigen Kampf mit den Petschenegen 1091 einen wichtigen Sieg, sah sein Reich aber weiterhin bedroht und bat den Papst (Urban II.) 1095 um Unterstützung gegen die Seldschuken. Dass sich Kaiser Alexios nicht an Kaiser Heinrich IV. wandte, dürfte am Zerwürfnis zwischen Papst und Kaiser gelegen haben, vielleicht aber auch an einer Furcht vor politischer Bevormundung. Hätte der Kaiser oder eine italienische Seemacht die Unterstützung Konstantinopels übernommen, hätte die religiöse Orientierung wohl kaum die Rolle spielen können, welche mit der Kreuzzugsbewegung verbunden war. Für den Papst bot die Kreuzzugsbewegung eine Chance zur Festigung der eigenen Stellung.

1095 kam es zum berühmten Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II. in Clermont. Die Kreuzzugsbewegung unterstützte zwar phasenweise auch die Politik Konstantinopels, trug aber letztlich mit zum Niedergang des Oströmischen Reiches bei. In den späteren Kreuzfahrerstaaten wurden die Christen anderer Kirchen nicht gleichrangig behandelt. In seiner Predigt wies Papst Urban II. auf die bedrängte Situation der Christen im Osten hin, tadelte die Streitigkeiten im christlichen Adel des Westens, wies den Rittern eine neue Aufgabe zu und stellte den Sündenablass für die bewaffnete Pilgerfahrt in Aussicht. Im Adel und Klerus der Region fand die Idee starke Resonanz.

Betrachtet man die Situation des römischen Papsttums zur Zeit Urbans II., so wird die Belastung deutlich, die der Streit zwischen Kaiser und Papst trotz des berühmten kaiserlichen Bußgangs von Canossa (1077) weiterhin bedeutete. Heinrich IV. hatte die Stadt Rom jahrelang belagert, war schließlich vom Gegenpapst (Clemens III.) zum Kaiser gekrönt worden (1084). In den sich anschließenden Wirren wurde Rom stark zerstört. Heinrichs großer Gegegenspieler, Papst Gregor VII., starb im Exil (1085). Auf die kurze Amtszeit Papst Viktors III. (1086-1087), der sich in Rom selbst nie ganz durchsetzen konnte, folgte das Pontifikat des Franzosen Urban II. (1088-1099). Urban II. erwies sich als kluger Diplomat und Stratege. Es gelang ihm, seine Position zu festigen und auszubauen. Mit dem Kreuzzugsaufruf setzte er sich an die Spitze der westlichen Christenheit, nicht nur im geistlichen, sondern auch im militärischen Sinne. Kurze Zeit später ließ er in der Stadt Rom die Anhänger des Kaisers und des Gegenpapstes durch Kreuzritter bekämpfen. 

Möglicherweise kann Papst Gregor VII. (+1085) als Erfinder der Kreuzzugsidee betrachtet werden. Im Jahr 1074 versammelte er ein Heer, um die Normannen, Griechen und Sarazenen aus Italien zu vertreiben, und verfolgte die Absicht, anschließend Konstantinopel zu unterwerfen und Jerusalem in Besitz zu nehmen. (Vgl. Ferdinand Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter II,1, Darmstadt 1978, S. 77f.)

Es fällt uns heute vielleicht schwer, nachzuvollziehen, wie sehr sich das christliche Europa durch die islamische Expansion bedroht sah. Aus heutiger Sicht blickt man eher auf die kulturellen Impulse, die die Araber nach Italien und Spanien brachten, und assoziiert ihre Herrschaft mit Toleranz. Dies ist aber nur ein Teil der Wirklichkeit. Im frühen Mittelalter konnte niemand vorhersagen, wie weit die Araber nach Europa vordringen würden. Konstantinopel wurde mehrfach belagert. Bis 719 wurde die gesamte Iberische Halbinsel erobert, es folgten Vorstöße nach Südfrankreich. 732 bremste Karl Martell die Expansion (Schlacht von Tours und Poitiers). Ab 827 eroberten die Araber Sizilien, gefolgt von Vorstößen nach Festlandsitalien. 846  wurde Rom von arabischen Truppen erstürmt und geplündert, die konstantinische Basilika von St. Peter zerstört. Der Begriff "Expansion" gibt nur moderat wieder, dass es sich um einen Eroberungskrieg handelte, der sich aller zur Verfügung stehenden Gewaltmittel bediente. Dass die eroberten Gebiete nicht flächendeckend verwüstet und die Bevölkerung nicht massakriert oder vertrieben wurde, entspricht der Praxis aller klugen Eroberer. Die Perser, Alexander der Große oder die Römer handelten ähnlich. Die Römer kannten den Grundsatz "parcere subiectis" (Vergil; die Unterworfenen schonen). Sie ließen sich teilweise als Befreier feiern und legten großen Wert auf den Erhalt einer funktionierenden Infrastruktur. Großreiche aller Zeiten brachten durch die Vernetzung oder sogar Integration unterschiedlicher Kulturen starke kulturelle Entwicklungsschübe hervor.

Europa sah sich durch die islamische Expansion bedroht, aber andererseits arrangierte man sich an vielen Stellen, mitunter auch grenzüberschreitend, mit den neuen Machthabern. Auch die Pilgerfahrt nach Jerusalem, das sich unter fatimidischer Herrschaft befand, war nach wie vor möglich. Allerdings gab es immer wieder Einschränkungen oder Eskalationen. 1009 beispielsweise ordnete Kalif Al-Hakim die Zerstörung der Grabeskirche in Jerusalem an. Unter seiner Herrschaft (1000-1021) kam es im Fatimidenreich zur Diskriminierung und Verfolgung von Christen, tausende Kirchen wurden enteignet oder zerstört. Al-Hakims Nachfolger, Kalif Al-Zahir (1021-1036), gestattete den Wiederaufbau der Grabeskirche, nachdem der Kaiser von Konstatinopel dem Bau einer Moschee in seiner Stadt zugesagt hatte. Auch Jahrzehnte nach den Ereignissen galt die Zerstörung der Grabeskirche als furchtbarer Frevel, der starke emotionale Reaktionen hervorrief.

Im 11. Jahrhundert bewiesen die Normannen, dass es möglich war, arabisch beherrschte Gebiete zu erobern (Sizilien, Süditalien). In Spanien zeigten sich die Araber geschwächt, nachdem das Kalifat von Cordoba aufgeteilt worden war. In Syrien und dem Heiligen Land kämpften Fatimiden und Seldschuken um die Vorherrschaft. Die italienischen Seemächte entwickelten Ambitionen, Stützpunkte im ganzen Mittelmeerraum auszubauen.

In einer solchen kriegerischen und von Umbrüchen gezeichneten Zeit fand der Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II. große Resonanz.

Die Bezeichnung Kreuzzüge kam erst im Laufe der Zeit auf. Ursprünglich wurde von Pilgerfahrten oder von bewaffneten Pilgerfahrten gesprochen. Diese Begrifflichkeit hatte nicht nur eine propagandistische Funktion, sondern ist kennzeichnend für die Denkweise vieler Kreuzfahrer und ihrer Anführer, wonach ein Sieg weniger durch militärische Mittel als durch religiöse Überzeugung und Gottes Beistand zu erreichen war. Außerdem sollte die Pilgerfahrt als Kirchenbuße bzw. Ablass angerechnet werden.

Vorbilder der Kreuzzüge wurden im Alten Testament (z. B. Buch Josua, Makkabäerbücher) gesucht, wo militärischer Erfolg mit der richtigen Glaubensgesinnung der Kämpfer zu tun hat. Auch der Kampf Karls des Großen gegen die Sarazenen diente als Bezugspunkt. Auf dem Karlsschrein in Aachen sieht man dargestellt, wie Karl als Betender die Stadtmauern Pamplonas zum Einsturz bringt und dadurch die Eroberung der Stadt ermöglicht. Um die Tapferkeit und Größe einzelner Kämpfer hervorzuheben, bediente man sich aber auch des Vergleichs mit antiken Helden, etwa aus Vergils Aeneis.

Die Kreuzzüge waren somit eine besondere Form eines religiös motivierten Krieges oder eines "heiligen Krieges". Zu ihrer Begründung griff man unter anderem auf die Theorie des Augustinus über den "bellum iustum" ("gerechten Krieg") zurück. Für Augustinus war jeder Krieg grundsätzlich schlecht und sündhaft. Er gehörte nicht zu Gottes Schöpfungsordnung. In einer insgesamt sündhaften Welt erschien der Krieg aber unter bestimmten Umständen als gerechtfertigt.














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