Kaiser und Papst

Kaiser und Papst

Nach dem Untergang des weströmischen Kaisertums gab es in der Stadt Rom weiterhin einen Senat und eine Bürgerverwaltung. Der in Rom residierende Papst war nicht das Stadtoberhaupt. Auch der Kirchenstaat entwickelte sich erst langsam. In Italien bildeten sich verschiedene Herrschaften aus. Von Konstantinopel abhängige Herrscher residierten zeitweise in Ravenna. In einem solchen Umfeld war das Papsttum herausgefordert, seine Position zu behaupten, auch gegenüber dem Kaiser von Konstantinopel und dessen kirchenpolitischen Machtansprüchen. Papst Gelasius I. (+ um 496) formulierte die Lehre von den zwei Gewalten (geistliche auctoritas und weltliche potestas), die später in der sogenannte Zweischwerterlehre ausgestaltet wurde.

Mit der Eroberung des Langobardenreiches (Oberitalien) durch Karl den Großen und seine Kaiserkrönung begann eine neue politische Phase. Das Kaisertum etablierte sich als Schutzmacht der Kirche und als Repräsentanz des Heiligen Römischen Reiches.

Die Ebenbürtigkeit von Papst und Kaiser bzw. die Aufteilung der kirchlichen und weltlichen Vormachtstellung änderte sich in der Herrschaftszeit der Salier, im Zusammenhang des Investiturstreits über die Einsetzung von Bischöfen. Papst Gregor VII. beanspruchte in seiner Lehrschrift "Dictatus Papae" (1075) nicht nur die Einsetzung der geistlichen Obrigkeit, sondern auch der weltlichen. Die Zweischwerterlehre legte er so aus, dass dem Papst beide Schwerter, die geistliche wie die weltliche Macht, zukomme und er die weltliche Macht verleihe. Die salischen Herrscher leisteten gegen solche Ansprüche Widerstand. Sie setzten immer wieder Gegenpäpste ein. In Speyer errichteten sie einen gewaltigen Kirchbau, der die Kirchen Roms übertreffen sollte und als Grablege des Herrscherhauses diente.

Die Päpste hatten schon seit Jahrhunderten eine Vorrangstellung beansprucht, so im 5. Jahrhundert Papst Gelasius I. Die Kirchenspaltung von 1054 bewirkte jedoch, dass sich der Papst nicht mehr als "primus inter pares" (Erster unter Gleichen) verstand, sondern als höchster Amtsträger der gesamten Christenheit. Die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204 verstärkte diesen Effekt, der Papst verstand sich nunmehr als einziges Oberhaupt der Christenheit. Die wichtigen Patriarchensitze von Alexandrien und Antiochia waren bereits zuvor unter arabische Herrschaft geraten.

Das Kaisertum wurde nicht nur durch die Ansprüche des Papstes und des wachsenden Kirchenstaates in seinen Kompetenzen beschnitten, sondern auch durch die Emanzipation der norditalienischen Städte, in denen sich ein selbstbewusstes Bürgertum entwickelte.

Die Bezeichnung des "Römischen Reiches" (in der Nachfolge des weströmischen Reiches stehend) als "Heiliges Römisches Reich" entwickelte sich in der Stauferzeit - offensichtlich um der weltlichen Herrschaft des Papstes einen religiösen Anspruch des Reiches entgegenzustellen.

Die Machtfülle des Papstes nahm kontinuierlich zu, dennoch war seine Stellung vor Ort häufig gefährdet. Die Stadtbevölkerung Roms wandte sich immer wieder gegen einzelne Päpste, die zeitweilig die Stadt verlassen mussten oder sogar ins Exil gingen. Der machtvolle Gregor IX. (Pontifikat 1227-1241) beispielsweise musste immer wieder nach Viterbo Zuflucht nehmen. Innozenz IV. (Pontifikat 1243-1254) floh verkleidet nach Lyon, um von dort aus - unter anderem auf dem Konzil von Lyon 1245 - gegen den Kaiser (Friedrich II.) zu agieren. Von 1309 bis 1377 residierten die Päpste schließlich in Avignon.

Aber auch die Kaiser, die selbstbewusst den Titel "Römischer Kaiser" trugen, waren in der Stadt Rom selten willkommen. Bei den Krönungsfeierlichkeiten kam es immer wieder zu Tumulten. Manchmal mussten die frisch gekrönten Kaiser fluchtartig die Stadt verlassen. Ohnehin durften sie nur in kleiner Formation in die Stadt einziehen, während sie ihr Lager auf dem Monte Mario, außerhalb der Stadtmauern, aufzuschlagen hatten.

Die salischen, der welfische und die staufischen Kaiser gelten als Machtmenschen. Dies erscheint aus heutiger Sicht unsympathisch, aber sie erfüllten damit weitgehend die Vorstellungen, die ihre Zeit und der Herrschaftsauftrag mit sich brachten. Dass Päpste als 'Machtmenschen' auftraten und entsprechende Ansprüche in der kirchlichen Lehre verankerten, wurde bereits im Mittelalter kritisiert. Im Mittelalter traten viele Bischöfe, Äbte und Äbtissinen selbstbewusst auf. Der vom Papst gebannte Kaiser Friedrich II. konnte sich auf den Beistand vieler Geistlicher verlassen und ließ es sich nicht nehmen, seinerseits an die christliche Tradition zu erinnern: "Immer war es Unseres Willens Absicht, die Geistlichen jeglichen Ranges dahin zu führen, und am meisten die höchsten, dass sie als solche auch am Ende verharrten, wie sie in der ursprünglichen Kirche gewesen sind: das apostolische Leben führend, die meisterliche Demut nachahmend. Denn solche Geistliche pflegen die Engel anzuschauen, von Wundern zu schimmern, Kranke zu heilen ... und durch Heiligkeit, nicht Waffen, sich Könige und Fürsten zu unterjochen." (zit. nach Jacques Benoist-Méchin, Friedrich II. von Hohenstaufen. Deutsch von Wolfram Schäfer, Frankfurt 1982, S. 289f.)






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