Richard Löwenherz - Inbegriff des Kreuzritters

Richard Löwenherz - Inbegriff des Kreuzritters

Richard Löwenherz, die zentrale Leitfigur des Dritten Kreuzzugs (1189-1192), verkörpert wie kaum ein anderer die Erfolge und Misserfolge der Kreuzzugsbewegung, ihre Ideale und ihre Abgründe. Die englische Geschichtsschreibung hat jahrhundertelang über diesen König gestritten, bis heute ist das Urteil zwiespältig. Richard Löwenherz hat den Ruhm Englands vermehrt, aber viele politische und finanzielle Probleme für sein Königreich verursacht. Auf den englischen Thron, der damals auch beträchtliche Gebiete des heutigen Frankreichs beherrschte (angevinisches Reich), gelangte er durch Rebellion gegen seinen Vater (Heinrich II. von England).

Der berühmte britische Historiker Thomas Asbridge, dessen Darstellung der Kreuzzüge zum Bestseller wurde, legt dar, dass die Widersprüchlichkeit in der Beurteilung Richards letztlich in seiner eigenen Person verankert ist. Als sich Richard Löwenherz im November 1187 entschied, das Kreuz zu nehmen, handelte er ohne Absprache mit seinem Vater und letztlich gegen dessen Willen. Asbridge schreibt: „Möglicherweise spielte ein ganzes Bündel von Motiven eine Rolle. Ein wichtiger Faktor war sicherlich Richards Impulsivität. Wenn er irgendeine Schwäche hatte, dann war es ein deutlicher Hang zu allzu selbstsicherer, rücksichtsloser Arroganz.“ (Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, S 410f.) In der Folge hatte Richard mehrere Rollen in seiner Person zu vereinen: „Kreuzfahrer, König, Feldherr und Ritter“ (ebd., S. 411).

Das Jahr 1187 war ein Schicksalsjahr der Kreuzzugsbewegung. Am 4. Juli erlitten die Kreuzfahrer in der Schlacht bei Hattin ihre schwerste Niederlage, auch das Heilige Kreuz fiel in die Hände der Muslime. Saladin, der triumphierende Sultan von Ägypten und Syrien, eroberte in der Folge große Teile des christlichen Königreichs Jerusalem, auch die Heilige Stadt selbst. Unter den wichtigen Hafenstädten an der Mittelmeerküste blieb nur noch Tyros in christlicher Hand, außerdem einige Befestigungen im Landesinneren sowie die Kreuzfahrerstaaten Tripolis und Antiochia. Papst Gregor VIII. rief zum Kreuzzug auf. Diesem Ruf folgten schließlich nicht nur Richard Löwenherz, sondern auch der französische König Philipp II. August, der nach anfänglicher Verbundenheit zum Rivalen Richards geworden war, der betagte Kaiser Friedrich I. Barbarossa sowie der Herzog Leopold V. von Österreich – und mit ihnen viele hochrangige Adlige.

Richard musste seine Herrschaftsansprüche gegen seinen Vater und gegen seinen jüngeren Bruder Johann Ohneland (1167-1216) durchsetzen und absichern. 1189 wurde Richard, bereits seit 1172 Herzog von Aquitanien, als Herzog der Normandie eingesetzt und zum König von England gekrönt. Mit großer Sorgfalt bereitete er den Kreuzzug vor, sorgte für hinreichende Finanzmittel, Truppen und erließ strenge Anordnungen. Thomas Asbridge berichtet: „Es waren besondere Vorkehrungen nötig, um die militärische Disziplin während einer unbequemen, gefährlichen Seereise aufrechtzuerhalten. Daher erließ Richard im Jahr 1190 ein detailliertes Regelwerk, das für ungebührliches Verhalten schwere Strafen vorsah: Ein Soldat, der einen anderen umbrachte, wurde an die Leiche seines Opfers gefesselt und über Bord geworfen (falls das Verbrechen an Land geschah, wurde er an die Leiche gefesselt und mit ihr zusammen lebendig begraben); wer einen anderen mit dem Messer angriff, dem wurde die Hand abgehackt; wer einen anderen mit der Faust schlug, wurde dreimal ins Meer getaucht; Diebe wurden kahlgeschoren, anschließend wurde ihnen siedendes Pech über den Kopf gegossen, und sie wurden mit Federn beworfen“ (Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, S. 418).

1190 brach Richard in Tours auf, traf in Vezelay mit dem französischen König zusammen und reiste von Marseille nach Messina (Sizilien), wo er sich mit der englischen Flotte, die die iberische Halbinsel umsegelt hatte, verband. Im Königreich Silzilien hatte nach dem Tode Wilhelms II. (18. November 1189) Tankred von Lecce (ca. 1138-1194; Enkel Rogers II.) die Herrschaft an sich gerissen hatte. Rechtmäßige Erbin allerdings war Konstanze von Sizilien, die Tochter des Normannenkönigs Roger II. Konstanze wiederum war mit dem römisch-deutschen Staufer-König Heinrich VI. verheiratet. Diese heikle politische Lage versuchte Richard zu seinen Gunsten zu nutzen. Nachdem er Messina gewaltsam unterworfen und den französischen König politisch an die Seite gedrängt hatte, handelte er mit Tankred ein Bündnis aus und ließ sich dafür reichlich entlohnen. Gleichzeitig stärkte Richard auf diese Weise die Verbindung zur Welfenpartei, die sich immer wieder in Opposition zur Stauferherrschaft stellte, während der französische König, ebenfalls Richards Rivale, enge Beziehungen zur Stauferfamilie unterhielt. Das Bündnis mit Tankred von Lecce machte Richard Löwenherz somit zum Feind des römisch-deutschen Königs Heinrich VI., was dieser später auszunutzen wusste. 

Im Frühjahr 1191 reiste Richard Löwenherz weiter. Bevor er das Heilige Land erreichte, eroberte er Zypern und verkaufte die Insel an die Templer (vgl. Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, S. 462f.). Im Juni 1191 erreichte er die Hafenstadt Akkon, wo bereits der französische König die unter muslimischer Herrschaft befindliche Stadt belagerte. Akkon spielte für die Kreuzfahrer eine wichtige Rolle. Lange Zeit war es der wichtigste Kreuzfahrerhafen im Heiligen Land gewesen und sollte später zur Residenz des Königreichs Jerusalem werden. 

Saladin, der Hauptgegner der Kreuzfahrer, hatte 1189 erfolgreich eine Belagerung Akkons abgewehrt. Trotz seiner vielen militärischen Erfolge befand sich Saladin in einer eher schwierigen Situation. Unter den muslimischen Herrschern galt er als kurdischer Außenseiter, die von ihm geknüpften Allianzen wurden nach der Eroberung Jerusalems brüchig, es fehlte an finanziellen Mitteln und Truppen. Saladin selbst litt anscheinend unter einer schwierigen seelischen Verfassung. Thomas Asbridge spricht von einer für Saladin untypischen entscheidungsträgen Tatenlosigkeit (vgl. ders., Die Kreuzzüge, S. 428; vgl. auch ebd., S. 460). Der Tod Friedrich Barbarossas (+10. Juni 1190) erfüllte Saladin mit Genugtuung, aber das Erscheinen des französischen und des englischen Königs beunruhigten ihn sehr. In Verhandlungen erwies er sich als zäher Gegner und war nicht gewillt, Richard Löwenherz, der auch später immer wieder darum bat, persönlich zu treffen. 

Die Übermacht, die mit dem englischen König im Belagerungsheer entstand, führte zur Schwächung der muslimischen Stadtverteidigung. Nachdem man mit schweren Katapulten eine Bresche in die äußere Stadtmauer geschlagen hatte, wurde die Übergabe Akkons erfolgreich ausgehandelt (12. Juli 1191). Richard überging allerdings den österreichischen Herzog und demütigte ihn. Steven Runciman berichtet darüber: „König Richard nahm in dem vormaligen Königspalast nahe der Nordmauer der Stadt Wohnung, König Philipp in dem vormaligen Ordenshaus der Tempelritter am Meer … Die Zuweisung von Quartieren in der Stadt wurde durch unziemliche Streitigkeiten beeinträchtigt. Der Herzog von Österreich verlangte als Oberhaupt des deutschen Heeres eine gleichberechtigte Stellung mit den Königen von Frankreich und England und richtete sein Banner neben dem Richards auf, woraufhin die Engländer es wieder herunterholten und in den Burggraben warfen. Dies war eine Beleidigung, die Leopold von Österreich niemals verzieh.“ (Steven Runicam, Geschichte der Kreuzzüge, S. 823).

Da von muslimischer Seite nicht alle Übergabebedingungen zeitgerecht erfüllt wurden, ließ Richard 2700 Gefangene hinrichten.

Die Wiedereinnahme Akkons war unter militärischen Gesichtspunkten ein großer Erfolg, aber damit war nur ein kleiner Teil des Königreichs Jerusalem zurückerobert. Auch die Heilige Stadt selbst befand sich weiterhin in muslimischer Hand. Im August 1191 brach Richard Löwenherz mit dem Kreuzfahrerheer in Richtung Süden auf. Unweit von Jaffa, bei Arsuf, wurde er von einer muslimischen Übermacht angegriffen. Nur durch strenge Disziplin und großen Mut gelang es Richard, diesen Angriff zurückzuschlagen. Thomas Asbridge vermutet, dass der persönliche Kampfeinsatz des englischen Königs entscheidende für den Ausgang der Schlacht war (vgl. Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, S. 508). 

Bei der Ankunft in Jaffa, keine 70 Kilometer von Jerusalem entfernt, war das Heer erschöpft. In der spätsommerlichen Hitze erschien der Weg zur Heiligen Stadt, durch trockenes Land und schließlich durchs Gebirge, als höchst riskant. Richard Löwenherz bot Saladin Verhandlungen an. Angeblich soll er sogar vorgeschlagen haben, seine Schwester mit dem Bruder Saladins zu verheiraten (vgl. Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, S. 520). Die Verhandlungen verliefen ergebnislos.

Im Dezember 1191 stand Richard Löwenherz mit dem Kreuzfahrerheer kurz vor Jerusalem. Furchtbare Witterungsverhältnisse zermürbten sein Heer. Außerdem schätzte Richard die Situation seines Gegners falsch ein. In Unkenntnis der muslimischen Schwäche ordnete er am 13. Januar 1192 den Rückzug an. Der „Krieger-König“ (Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, S. 518) hatte auf diese Weise die durchaus mögliche Eroberung Jerusalems verpasst. Nachdem im Sommer nochmals ein erfolgloser Angriff versucht wurde, plädierte Richard für den Abzug, der am 4. Juli 1192, am fünften Jahrestag der Niederlage von Hattin, erfolgte. Thomas Asbridge schreibt: „Richard hatte zugelassen, dass der dritte Kreuzzug in dieser tödlichen Sackgasse endete, und seine Reaktion darauf war erschreckend unprofessionell. In einem Anfall erbärmlicher Dickköpfigkeit trat er als Oberbefehlshaber zurück: Er verkündete, dass er zwar bleiben, aber das Unternehmen nicht mehr leiten werde. … Der große König von England war nicht mehr im Besitz der Macht und der visionären Kraft, mit der er den Kreuzzug hätte ausführen können.“ (Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, S. 544f.)

Nach diesem Rückzug handelten die Kreuzfahrer mit Saladin einen dreijährigen Waffenstillstand aus, der christlichen Pilgern den freien Zugang zur Heiligen Stadt ermöglichte. Richard Löwenherz selbst nutzte diese Möglichkeit nicht, sondern reiste im Oktober 1192 ab. 

Saladin, Richards großer Gegner, starb im März 1193. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der englische König in deutscher Gefangenschaft. Auf der Rückreise nach Europa war Richard bei Venedig in einen schweren Sturm geraten. Er versuchte, den Landweg inkognito zu bewältigen, wurde aber bei Wien erkannt und verhaftet. Der österreichische Herzog, den Richard in Akkon gedemütigt hatte, überstellte den Gefangenen an den deutschen Kaiser Heinrich VI. Dieser zog ihn für das Bündnis mit Tankred von Lecce zur Rechnung. Sein Plan war es, für Richard ein Lösegeld zu erhalten, das die Eroberung des Königreichs Sizilien ermöglichen sollte. Nach langen Verhandlungen gelang dies auch. Zwar hatten der französische König und Richards Bruder Johann Ohneland gefordert, Richard dürfe nicht freigelassen werden, aber im Februar 1194 kam der englische König nach Zahlung eines gewaltigen Lösegeldes frei.
Heinrich VI. hatte auf diese Weise die Mittel, das Königreich Sizilien zu erobern. An Weihnachten 1194 wurde er in Palermo zum König Siziliens gekrönt. Richard hingegen verbrachte die folgenden Jahre damit, Gebiete, die der französische König in Besitz genommen hatte, zurückzuerobern. Bei der Belagerung der Burg Chalus-Chabrol (bei Limoges) wurde Richard Löwenherz tödlich verletzt. Er starb, 41jährig, am 6. April 1199 einen ritterlichen Tod.

Literaturempfehlungen: Steven Runicam, Geschichte der Kreuzzüge, München 2008; Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, Stuttgart (8) 2018; Hartmut Jericke, Kaiser Heinrich VI., Gleichen-Zürich 2008












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