Italien und Deutschland

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Italien und Deutschland in der Stauferzeit

In der Antike war Germanien aus römischer Sicht Barbarenland. Aber Germanien ist selbstverständlich nicht mit Deutschland gleichzusetzen, weder geographisch noch sprachlich noch kulturell. Auch kann man Italien nicht einfach mit Rom oder dem Römischen Reich gleichsetzen, denn in der Völkerwanderungszeit und auch danach kam es in Italien zu erheblichen Umwälzungen. Goten, Langobarden, Araber, Normannen und andere ließen sich nieder und veränderten das Land. Im Spektrum verschiedener Einflüsse dienten Rom und das Römische Reich für das entstehende Europa als wichtiger Bezug, wenn nicht als Maßstab. Große Dominanz strahlte das römischen Rechtswesen aus, das bis heute Spuren in den Rechtssystemen verschiedener europäischer Staaten und im Rechtssystem der römisch-katholischen Kirche hinterlassen hat. Gleichzeitig nahmen germanische Traditionen ihren Einfluss. In der Stauferzeit trafen beide Ansätze besonders stark aufeinander: die nordische Tradition der Personalverbände und die südliche Tradition eines systematisch strukturierten Staates (heute haben sich die Verständnisse vielleicht umgekehrt). Diese beiden Traditionen konnten sich im Heiligen Römischen Reich nicht wirklich harmonisch verbinden, wurden aber für die norditalienischen Stadtstaaten fruchtbar.

Italien und Deutschland waren in der Stauferzeit - und bereits früher - schicksalhaft aufeinander bezogen. Karl der Große hatte das fränkische Reich nach Osten und nach Süden erweitert. Die Eroberung des Langobardenreiches erweiterte die Macht des Frankenkönigs bis nach Mittelitalien. Mit der Kaiserkrönung wurde - neben vielen anderen Motiven - eine Verbindung zum antiken Römischen Reich propagiert. Karl der Große blieb für Jahrhunderte die Idealgestalt eines christlichen Herrschers, der antike und christliche Traditionen miteinander verschmelzen ließ und ein Gegengewicht zum oströmischen Kaiser in Konstantinopel verkörperte. Daran knüpften Ottonen und Salier an. Aachen, die Residenzstadt Karls des Großen, war Krönungsort und Legitimationsort der römisch-deutschen Könige. Karl der Große selbst wurde 1165, in der Regierungszeit des Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa, heiliggesprochen. 1215 folgte die Übertragung seiner Gebeine in den Karlsschrein, welcher heute im Chor des Aachener Doms weiterhin zu bewundern ist. Der Staufer Friedrich II. wirkte an dieser symbolträchtigen Übertragung mit.

Nach Karl dem Großen wurden die ostfränkischen Könige Karl III. und Arnolf von Kärnten zu römischen Kaisern gekrönt. Ein halbes Jahrhundert später folgte Otto der Große. Unter den Ottonen wandelte sich der ostfränkische Königstitel zum pointierten Titel "Rex Romanorum". Im heutigen Deutsch hat sich die Bezeichnung "römisch-deutscher König" durchgesetzt. Dieser Name weist zugleich darauf hin, dass der Herrschaftsbereich territorial nicht eindeutig festgelegt war. Die römisch-deutschen Könige der Folgezeit erhoben Ansprüche auf Italien, insbesondere wenn sie zu Kaisern gekrönt worden waren. Solche Ansprüche konnten sie aber de facto nicht durchsetzen. Der Papst stellte sich diesen Interessen entgegen, baute den Kirchenstaat aus und suchte eine Verbindung Süditaliens mit dem nördlichen Reich zu verhindern. In Norditalien entwickelten sich eigenständige Stadtstaaten, die nach Unabhängigkeit strebten. Friedrich Barbarossa rieb sich in mehreren großen Italienzügen an den norditalienischen Städten auf. Sein Sohn Heinrich VI. erlangte durch Heirat die Königskrone Siziliens (wobei das Königreich Sizilien ganz Süditalien umfasste). Damit tat sich ein weit gespannter Bogen auf. Durch den frühen Tod Heinrichs VI. (mit 32 Jahren) konnte die Verbindung nicht gefestigt werden. Sein Sohn Friedrich II., der sich im Königreich Sizilien zuhause fühlte und dessen Lieblingsregion Apulien war, konnte das nördliche Reich und Süditalien zwar in Personalunion verbinden, nicht aber zu einer tatsächlichen politischen Einheit führen. Die deutschen Fürsten, die Friedrich die Krone gerettet hatten, verlangten nach mehr Eigenständigkeit. Der Papst setzte alles daran, eine Verbindung des Nordens mit dem Süden zu verhindern. Die norditalienischen Städte, teils dem Kaiser, teils dem Papst zugewandt, wirkten einer Union entgegen. Nach dem Untergang der staufischen Herrschaft zersplitterte sich Deutschland weiter. Süditalien wurde von einer blühenden Region im Zentrum des Mittelmeeres zur Peripherie in Europa.



Literaturempfehlung:Alfried Wieczorek, Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die Staufer und Italien, Ausstellungsband und Essay-Band, Stuttgart 2010












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