Kreuzzüge

Kreuzzüge
Kreuzzüge

Die Entstehung der Kreuzzugsbewegung ist bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen und Diskurse. Sehr bald zeigte sich, dass die Kreuzzugsbewegung nicht nur der Rückeroberung des Heiligen Landes diente, sondern vielfältige politische Zwecke verfolgte und zu einem Machtinstrument in der Hand der Päpste wurde. Die Kreuzzüge richteten sich nicht nur nach außen, gegen die "Sarazenen", sondern auch nach innen. Sie entwickelten sich zu einem Mittel fantatischer Religiosität und kühlen politischen Machtkalküls, wie das Beispiel des Albigenserkreuzzugs (1209-1229) zeigt. 20 Jahre lang bekämpfte man die in Südfrankreich lebenden Katharer. Bereits beim Auftakt des Krieges, der Eroberung Beziers im Jahr 1209, wurden rund 20.000 Zivilisten getötet. Im Kontext von Kreuzzügen kam es zu Judenpogromen. Im Kontext der Kreuzzüge entstanden eine unbarmherzige Ketzerdoktrin und das Ablasswesen. Aber auch die Kaiser nutzten die Kreuzzugsbewegung für ihre Interessen.

Die Bezeichnung Kreuzzüge kam erst im Laufe der Zeit auf. Ursprünglich wurde von Pilgerfahrten oder von bewaffneten Pilgerfahrten gesprochen. Diese Begrifflichkeit hatte nicht nur eine propagandistische Funktion, sondern ist kennzeichnend für die Denkweise vieler Kreuzfahrer und ihrer Anführer, wonach ein Sieg weniger durch militärische Mittel als durch religiöse Überzeugung und Gottes Beistand zu erreichen war. Außerdem sollte die Pilgerfahrt als Kirchenbuße bzw. Ablass angerechnet werden. Nach Thomas Asbridge entwickelte sich die Begrifflichkeit "Kreuzzug" und "Kreuzfahrer" im Kontext des Dritten Kreuzzuges aus der damals neu auftauchenden Bezeichnung "cruce signatus"/"crucesignatu" (mit dem Kreuz gekennzeichnet) (vgl. T. Asbridge, Die Kreuzzüge, S. 403; 53). Das Kreuzessymbol spielte bereits im Zusammenhang des ersten Kreuzzugsaufrufs Papst Urbans II. 1095 eine wichtige Rolle. Jeder Teilnehmer sollte sich ein rotes Kreuz auf die Schulter des Obergewands nähen lassen (vgl. S. Runicam, Geschichte der Kreuzzüge, S. 107). Sehr früh wurde das Wort des Evangeliums Mt 16,24 aufgegriffen: "Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Im Evangelium steht dieses Jesuswort im Kontext der Leidensankündigung, welche auf den bevorstehenden Kreuzestod hinweist. Somit hat Mt 16,24 eine im Vergleich zur Gewaltaufforderung gegenteilige Bedeutung.

Vorbilder der Kreuzzüge wurden im Alten Testament gesucht, wo militärischer Erfolg mit der richtigen Gesinnung der Kämpfer zu tun hat. Auch der Kampf Karls des Großen gegen die Sarazenen diente als Bezugspunkt. Auf dem Karlsschrein in Aachen sieht man dargestellt, wie Karl als Betender die Stadtmauern Pamplonas zum Einsturz bringt und dadurch die Eroberung der Stadt ermöglicht. Um die Tapferkeit und Größe einzelner Kämpfer hervorzuheben, bediente man sich aber auch des Vergleichs mit antiken Helden, etwa aus Vergils Aeneis.

Unter militärischen Gesichtspunkten litten die Kreuzzüge häufig unter Führungsstreitigkeiten und schlechter Koordination. Es fehlte ein stehendes Heer, das den wellenförmig auftretenden militärischen Aktionen Bestand gegeben hätte. Auch die Ritterorden konnten diese Lücke letztlich nicht füllen, zumal da der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit oftmals außerhalb des Heiligen Landes lag. Die Muslime, wenn sie nicht durch interne Kämpfe abgelenkt oder geschwächt wurden, waren in der Regel militärisch besser organisiert und den Kreuzfahrern überlegen. Die Erforschung muslimischer Quellen zeigt, dass die Kreuzzüge aus zeitgenössischer muslimischer Sicht weniger gravierend wahrgenommen wurden, als dies in der späteren Rezeption der Fall war und sich bis heute auswirkt. Viele Kreuzzüge scheiterten katastrophal und fügten dem eigenen Lager größeren Schaden zu als dem Gegner. Unter militärischen Gesichtspunkten erscheint die Bilanz der Kreuzzüge desaströs.

1099 wurde Jerusalem von den Kreuzfahrern erobert. 1187, nach der Schlacht von Hattin, nahm Saladin die Stadt wieder für den Islam ein. Von 1229 bis 1244 stand Jerusalem nochmals unter christlicher Verwaltung, nachdem Kaiser Friedrich II. die Stadt durch eine Verhandlungslösung zurückerlangt hatte. Dass Papst Gregor IX. diese letzte christliche Inbesitznahme verurteilte, zeigte den Zeitgenossen, dass die Kreuzzugsidee Mittel zum Zweck geworden war und ihre eigentlichen Ziele aus dem Blick verloren hatte. Jerusalem, die Heilige Stadt, wurde nach Friedrichs Verhandlungserfolg (1229) vom Papst mit dem Interdikt belegt, es durften dort keine Messen gefeiert werden. Der Kaiser selbst wurde von seinen politischen Gegnern angepöbelt und musste überstürzt nach Italien zurückreisen, da päpstliche Truppen sein Stammland besetzt hatten. Am Ende triumphierten aber nicht Templer, Johanniter oder andere christliche Gruppierungen, die eine Opposition zum Kaiser gebildet hatten. Stattdessen wurdeJerusalem geschwächt und wieder von den Muslimen in Besitz genommen. Mit der Eroberung Akkons im Jahr 1291 war die Geschichte der Kreuzfahrer im Heiligen Land weitgehend beendet.

Die Kreuzzüge waren somit eine besondere Form eines religiös motivierten Krieges oder eines "heiligen Krieges". Dies gab ihnen von vornherein einen anderen Charakter als den Charakter von Raub- und Kriegszügen, die zu dieser Zeit üblich waren und heute wahrscheinlich kein großes Thema mehr zwischen Christentum und Islam darstellen würden. Zu ihrer Begründung griff man unter anderem auf die Theorie des Augustinus über den "bellum iustum" ("gerechten Krieg") zurück. Für Augustinus war jeder Krieg grundsätzlich schlecht und sündhaft. Er gehörte nicht zu Gottes Schöpfungsordnung. In einer insgesamt sündhaften Welt erschien der Krieg aber unter bestimmten Umständen als gerechtfertigt. Augustinus hätte die Auswüchse der Kreuzzugsbewegung aber sicherlich nicht gutgeheißen.

Die Kreuzzugsbegeisterung schwankte sehr stark. Unter anderem wegen militärischer Niederlagen, aber auch wegen der großen Gefahren, die eine mehrjährige Abwesenheit mit sich brachte, sowie wegen des Fehlverhaltens vieler Kreuzfahrer ging die Kreuzzugsbegeisterung in der Stauferzeit insgesamt deutlich zurück. Nach der Schmach, die man Kaiser Friedrich II. im Heiligen Land zugefügt hatte, nahmen fast keine deutschen Ritter mehr an Kreuzzügen ins Heilige Land teil.

Das Rittertum wurde von der Kreuzzugsbewegung stark geprägt und wirkte selbst stark auf diese Bewegung ein. Die Entstehung der Ritterorden belegt dies sehr deutlich und anschaulich.

Trotz vieler Grausamkeiten kam es in der Kreuzzugszeit phasenweise zu einer Intensivierung des kulturellen Austausches und der Handelsbeziehungen zwischen Christen und Muslimen.



Leseempfehlungen: Steven Runicam, Geschichte der Kreuzzüge, München 2008; Hans Eberhard Mayer: Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart (10) 2005; Thomas Asbridge: Die Kreuzzüge, Stuttgart 2010; Martin Kaufhold: Die Kreuzzüge, Wiesbaden 2007






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